Wir haben im Sommer sehr fleißig gearbeitet und dem Bundesamt für Denkmalschutz einen offenen Brief geschrieben, um unsere Sorge um mögliche weitere Abrisse schützenswerter St. Pöltner Bauten mitzuteilen und um Unterstützung zu suchen. Wie in einem neuen Zeitungsartikel der Tips erwähnt wurde, sind wir keine Gegner von Neubauten. Uns ist wichtig, dass St. Pölten eine große Diversität an Architektur behält. Mehr erfahrt ihr im folgenden Brief ans BDA:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Namen unserer ehrenamtlich und parteipolitisch unabhängig agierenden „Bürgerplattform pro St. Pölten“ wende ich mich als Obmann des Vereins an Sie, um auf die Problematik historisch schützens-werter, akut vom Abbruch bedrohter Objekte in der niederösterreichischen Landeshauptstadt hinzuweisen und Sie um entsprechende Maßnahmen zum Schutz der im zweiten Teil des Briefes gelisteten Gebäude zu bitten.
Verlorene schützenswerte Gebäude
In den letzten zehn Jahren führten die Abrisse einiger historischer Gebäude zu einer Beeinträchtigung des St. Pöltner Stadtbildes, deren Ende nicht in Sicht zu sein scheint. Die sogenannte „Maderna-Villa“, ein 1885/86 von Franz Schulz im Stil der Neorenaissance geplanter und errichteter Bau der Jahr-hundertwende mit umgebendem Park am Grundstück Josefstraße 2, wurde 2011 mitsamt den Bäumen planiert und für ein (in Folge noch bis zum heutigen Datum nicht zu Stande gekommenes) Bürogebäude (LT1) adaptiert. Die Villa selbst stand – obwohl von Gebäuden aus derselben Epoche und im selben Stil umgeben – nicht unter Denkmalschutz, bildete mit dem Park sowie den angrenzenden Gebäuden ein architektonisches Ensemble des Fin de Siècles, das nun unwiederbringlich verloren ist.
Ein weiteres, bereits verlorenes Objekt stellt das ehemalige „Hotel Bahnhof“, später als Finanzamt genutzt und in seinen letzten Jahren die längste Zeit eingerüstet, am Bahnhofsplatz 14 dar. Trotz des bestehenden Ensembles durch die angrenzenden Gebäude am Eingang zur St. Pöltner Innenstadt und keinerlei gröberer baulicher Schäden bzw. Einsturzgefährdung erfolgte 2011 der Abrissbescheid, sodass ein weiterer schützenswerter Bau der Gründerzeit aus dem Stadtbild verschwand. Der 2012 errichtete Neubau besteht nun aus einem Büro- und Wohngebäude, dessen Fassadengestaltung sowie Etagenhöhe die angrenzenden Gebäude deutlich kontrastiert.
Als letztes Beispiel seien noch die erst wenige Wochen zurückliegenden Abrisse der Gebäude Linzer Straße 3-5 („Altes Pressehaus“) sowie Linzer Straße 18-20 („Kohn-Haus“) genannt, die auch in der Bevölkerung kontrovers diskutiert wurden. Im Falle des „Alten Pressehauses“ verursachte der zur Hälfte vorgenommene Abriss des 1951 im neobarocken Stil errichteten Gebäudes die Zerstörung der von Sepp Zöchling geschaffenen Sgraffiti sowie die dauerhafte Veränderung der durch barocke und klassizistische Gebäude geprägten Straßenzeile, in die sich das alte Gebäude durch seine besondere Verbindung aus modernen und neobarocken Elementen eingefügt hatte.
Der bereits angesprochene Abriss des „Kohn-Hauses“ führte zu einer ähnlichen Veränderung des Straßenbildes, wobei zusätzlich das angrenzende, denkmalgeschützte Gebäude Linzer Straße 16 während der Abrissarbeiten Schäden im Ausmaß von 70.000 Euro davontrug und u.a. die Erhaltung der von Jakob Prandtauer gestalteten Stuckdecken stark gefährdet ist. Eine Klage des Nachbarn gegen den Eigentümer des „Kohn-Haus“-Eigentümers steht momentan im Raum.
Denkmalschutz und Schutzzone in St. Pölten
Der Umgang mit schützenswerten, jedoch nicht denkmalgeschätzten Objekten bzw. der sie betreffenden Ensembles und Straßenzeilen in St. Pöltens Zentrum führte in den letzten Jahren daher zu gravierenden Eingriffen in das Stadtbild. Positive Effekte wie die Schaffung von Wohn- und Geschäftsräumen wurden durch den fahrlässigen Umgang mit dem architektonischen Erbe und organisch gewachsenen Strukturen relativiert und schützenswerte Gebäude durch ästhetisch anspruchslose Fassaden bzw. unsensible Neubauten ersetzt. Aus rechtlicher Sicht waren all diese Maßnahmen legal, da die Stadt St. Pölten zwar denkmalgeschützte Objekte anerkennt, ansonsten bis vor Kurzem jedoch keinerlei Vorgaben bei angrenzenden Gebäuden (z.B. Ensembleschutz) machte. Seit dem 16.04.2018 gilt „wegen der beabsichtigten Änderung der Bebauungspläne eine Bausperre“ für zwei Jahre eine Bausperre im gesamten Gebiet der Katastralgemeinde St. Pölten, die jedoch bereits erteilte Abrissbescheide nicht betrifft und auch keinen Baustopp in besagtem Gebiet vorsieht.
Die Schaffung einer Schutzzone, die verhindern soll, „dass nicht denkmalgeschützte aber trotzdem schützenswerte Gebäude in der Katastralgemeinde St. Pölten abgerissen werden“, ist bis zum Jahr 2021 angedacht, konkrete Maßnahmen oder auch eine Definition des Begriffs „schützenswert“ fehlen jedoch nach wie vor. Die rechtliche Lage für nicht-denkmalgeschützte Gebäude hat sich somit zwar theoretisch verbessert, ist jedoch immer noch eine äußerst prekäre, sodass weitere Abrisse historisch wertvoller Gebäude in den folgenden Jahren zu befürchten sind.
Schützenswerte Gebäude in St. Pölten
Unser Verein hat es sich daher zum Ziel gesetzt, Entwicklungen in St. Pölten, die die Pflege und Erhaltung eines ästhetischen Stadtbildes betreffen, kritisch zu dokumentieren und bauliche Veränderungen kritisch zu hinterfragen. Da das bauliche Ensemble des Altstadtkerns in den letzten Jahren massiven Eingriffen ausgesetzt war und schützenswerte Architektur sukzessive aus dem Stadtbild verschwindet, wenden wir uns an das Bundesdenkmalamt, um Sie auf drei weitere, akut vom Abriss bedrohte Objekte hinzuweisen:
Ludwig-Stöhr-Straße 7 („Rot-Kreuz-Haus“)
Im ersten Fall ist das „Rot-Kreuz-Haus“ St. Pölten, Ludwig-Stöhr-Straße 7, aufgrund des Neubaus der Bezirksstelle auf einem neuen Areal und dem daraus resultierenden Verkauf der alten Liegenschaft mitsamt den angrenzenden Zubauten vom Abriss bedroht. Das Objekt stellt aufgrund seiner klassizistischen Gestaltung, sondern auch aufgrund der Nachbarschaft zu den denkmalgeschützten Häusern der Julius Raab-Promenade 18 und 20 ein weiteres wertvolles, die Kernstadt entlang der Promenade säumendes Objekt dar. Das zweistöckige, 1898 von Baumeister Richard Frauenfeld für Josef Schatzl im Stil des Neomanierismus errichtete Gebäude ist im Risalitbereich durch „zart profilierten Neorenaissance-Rahmen und analog dem im Parapetbereich mit vegetabilem Zopfschmuck stuckiertem Eckrisalit“ dekoriert. Im Inneren sind vor allem der original erhaltene Terrazoboden sowie das späthistoristische schmiedeiserne Geländer von Interesse. Eine Unterschutzstellung wäre aufgrund der beispielhaften Architektur des Gebäudes wie bei den bereits geschützten Nachbargebäuden daher dringend nötig.
Gründerzeitbau Kardinal-König-Platz
Ebenso akut vom Abriss bedroht ist der gründerzeitliche Wohnbau am Kardinal König-Platz, der einer Verbreiterung des Straßenringes um die Innenstadt entlang der Ostachse Rennbahnstraße/Austraße weichen soll. Der dreistöckige Bau, ein ehemaliges Arbeiterwohnhaus der Benker-Fabrik, ist ein in der Stadt seltenes und in seiner Form einzigartiges architektonisches Relikt für Arbeiterwohnbauten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der seit 100 Jahren das Stadtbild prägende Bau stellt am Übergang zwischen innerstädtischer Promenade (Neugebäudeplatz) und dem in den 1990er Jahren errichteten Viertel der Landesregierung ein einzigartiges Bindeglied dar. Trotz medialer Meldungen zum geplanten Abriss steht der Komplex nach wie vor, eine baldige Entfernung aus dem Stadtbild ist jedoch zu befürchten, sodass eine Prüfung der Unterschutzstellung wie im aktuellen Falle der Gänserndorfer Synagoge äußerst dringend ist!
Alte Straßenbahnremise Daniel-Gran-Straße 1
Als drittes akut bedrohtes Objekt im Bereich der Kernstadt ist die aus infrastruktureller Perspektive interessante alte Straßenbahnremise, ein Bau aus dem Jahr 1910. Das an der Kreuzung Herzogenburger Straße/Daniel Gran-Straße 1 gelegene Gebäude genießt zwar seit dem Jahr 2013 offiziell den Schutz des BDA (Objektnummer 26127), wird jedoch durch den mehrmaligen Wechsel des Eigentümers und ein momentan fehlendes Nutzungs- bzw. Sanierungskonzept weiterhin vernachlässigt und befindet sich in einem desolaten Zustand. Konkrete Maßnahmen des Eigentümers sowie offizieller Stellen zur Sanierung und Bestandssicherung fehlen. Auch hier herrscht akuter Handlungsbedarf, um auf die dringend notwendige Sanierung des bereits geschützten Gebäudes hinzuweisen und entsprechende Maßnahmen zum nachhaltigen Schutz zu ergreifen.
Unsere Ziele
Abschließend hoffe ich, Ihnen die Problematik und Dringlichkeit der gegenwärtigen Veränderungen, die gerade im Hinblick auf die Bewerbung St. Pöltens für die europäische Kulturhauptstadt 2024 umso gravierender und unverständlicher sind, verständlich erläutert und Ihr Interesse geweckt zu haben. Die genannten (und im Falle des Gründerzeitbaus) stark vom Abriss bedrohten einzigartigen Gebäude bedürfen Ihrer Hilfe, um in den nächsten Wochen nicht für immer aus dem Stadtbild zu verschwinden! Die Bewahrung eines ästhetischen Stadtbildes und historisch bedeutsamer Gebäude ist schlussendlich unser aller Anliegen, sodass ich Sie im Namen des Vereins darum bitte, die Unterschutzstellung für die Gebäude Ludwig Stöhr-Straße 7 („Rot-Kreuz-Haus“) und Kardinal König-Platz/Rennbahnstraße ehestmöglich zu prüfen bzw. den baulichen Zustand des Objekts Daniel Gran-Straße 1 („Alte Remise“) überprüfen zu lassen!
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Stefan Lenk, MA MEd (Obmann der Bürgerplattform pro St. Pölten)
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